Podium

Das Podiumsgespräch:  Was geschieht mit Torfeld Süd?

Vor dem Hintergrund des geplanten Fussballstadions in Torfeld Süd gab das Gespräch Einblick in die verschiedenen Positionen Direktbeteiligter.

PodiumUnterschiedliche Haltungen und gegensätzliche Konzepte im Umgang mit Stadt und Stadtentwicklung wurden aus theoretischer, politischer und praxisbezogener Sicht beleuchtet. Das Podiumsgespräch wurde von einer breit gefächerte Öffentlichkeit im Dabeisein vieler MieterInnen verfolgt. Die ReferentInnen brachten differenzierte und nachhaltige Konzepte der Stadtentwicklung in die Zuschauerrunde. MieterInnen ergriffen das Wort und äusserten sich zu ihrer prekären räumlichen Situation und dessen Folgen für ihr Bestehen.

Publikum

Podium:
Beat Blattner Vizeammann Aarau
Barbara Buser/ Kantensprung, Basel, Architektin ETH, NDS Energie
Simon Eichenberger, Betreiber der Skatehalle Rolling Rock, Mieter Torfeld Süd
Erich Niklaus, Architekt ETH, Aarau/
Moderation:
Jürg Oehninger, Journalist SR DRS

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Beitrag MZ- Online/ 13.5.2007

«Eigentlich ein untauglicher Stadionstandort»

Im Torfeld Süd diskutierten Mieter, Architekten und ein Behördenvertreter über die Zukunft des zehn Hektaren grossen Stadtgebiets. Im Konflikt stehen die Zwischennutzung als «Kreativstandort» und die Szenarien für eine Umnutzung.

PublikumAn einer Podiumsdiskussion im Aarauer Torfeld Süd ist Kritik an den Stadionplänen der Stadt laut geworden. Der mögliche Standort für ein neues FCA-Stadion dominierte eine Debatte, deren Ausgangsfrage jene nach Wert und Weiterentwicklung der Industriebrache war. Die Brache wird heute von Kleinstunternehmen vielfältig zwischengenutzt.
Das Torfeld Süd ist ein weisser Fleck auf der Stadtkarte. Wie ein Wachturm erhebt sich das Rockwell-Hochaus beim Gais-Kreisel. Dahinter liegen rund zehn Hektaren überbaute Industriezone. Zwar wird nur noch ein Teil industriell genutzt, der Rest liegt aber nicht brach. Allein unter der Adresse Industriestrasse 44 stehen im Telefonbuch über 30 Einträge: vom Inline-Skating-Center Rolling Rock über Architekten und Autotuner, eine Glaserei und eine Garage zu einem Online-Shop. Gewerbe, Dienstleister und Freizeitanbieter haben sich hier breit gemacht. Sie geben dem verlassenen Raum neuen Sinn, sie sind «Brutkästen» unkonventioneller Ideen und sie tragen zur Urbanität von Aarau bei. Das hat das Forschungsprojekt «Zone imaginaire» herausgefunden. Dessen Leiter, Raumplaner Marc Angst, führte am Freitagabend im Rahmen der Kunstausstellung «Kollaboration Torfeld Süd» durch das Gelände.
Das Projekt mit in Auftrag gegeben hatte der Stadtrat.
it's not a trial!Vizeammann Beat Blattner nahm an einer Podiumsdiskussion über die Zukunft von Torfeld Süd im Anschluss an die Führung teil. Auch wenn hier eher Entwicklung als Wertschöpfung stattfinde, sei einer der beiden privaten Grundeigentümer zufrieden mit der seiner Rendite. Und, so der stellvertretende Vorsitzende im Steuerungsausschuss für ein mögliches neues Fussballstadion des FC Aarau im Torfeld Süd: «Eigentlich ist das ein untauglicher Stadionstandort.» Wobei erst die Studie ans Tageslicht gebracht habe, was vor Ort überhaupt alles abgehe.

Mit diesen Aussagen erntete Blattner Kritik aus dem Publikum. Ein Mieter warf ihm vor, der Stadtrat kümmere sich nur um die Anliegen des Vermieters und möglicher Investoren. Die Podiumsteilnehmer Simon Eichenberger, der das Rolling Rock betreibt, und der Aarauer Architekt Erich Niklaus pflichteten bei; sie vermissen eine städtebaulich ganzheitliche Planung mit allen Betroffenen und über das Torfeld Süd hinaus. Blattner konterte, wenn die Stadt genau hinschauen würde, müsste sie gewisse Betriebe schliessen, weil sie nicht zonenkonform sind.
Der selbst ernannte «Stadtwanderer» Stephan Müller bezeichnete in seinem Votum das Vorhaben, am offensichtlich falschen Standort ein Stadion mit Einkaufszentrum bauen zu wollen, als «idiotisch». «Eine blödsinnige Salatschüssel», meinte auch Architekt Niklaus. Immerhin sei der Boden für das Stadion gratis, wenn es auf dem Einkaufszentrum liege, gab Beat Blattner zurück. Geradezu ein «Glücksfall» wäre für den Vizeammann eine polysportive Mantelnutzung.

rolling rock ohne perspektive
Simon Eichenberger, seit über zehn Jahren im Torfeld Süd, kann sich einen solchen «Freizeitpark» gut vorstellen. Ein Einkaufszentrum hingegen sei «ideenlos». Wichtig sei, dass überhaupt etwas passiere. Das Rolling Rock könne im Torfeld Süd mangels Heizung und wegen undichtem Dach höchstens noch ein, zwei Jahre überleben, sagte Eichenberger ernüchtert. Für ihn sei dieser Standort keine längerfristige Option. Erich Niklaus räumte ein, ein Teil müsste wohl abgebrochen werden, und verwies gleichzeitig auf die Redewendung des «Lebens als Baustelle»: Entwicklung braucht Zeit.
Eine, dies wissen muss, ist die Basler Architektin Barbara Buser, eine weitere Podiumsteilnehmerin. Sie hat vor sieben Jahren das Gundeldinger Feld, eine leer stehende Maschinenfabrik, im Baurecht übernommen und zu einem Quartierzentrum umgenutzt. Dieses weist heute einen ähnlichen Mietermix auf wie das Torfeld Süd. «Ich fühle mich hier wie zu Hause», sagte Buser und plädierte für einen integrativen, nachhaltigen Umgang mit dem Bestehenden, denn: «Eine solche Geschichte kann man nicht einfach bauen.»

Den Mietern Mut machte aus dem Publikum auch der Zürcher Stadtforscher Richard Wolff. Anstatt zu fragen, was mit dem Torfeld Süd geschehe, sollte man die Entwicklung berücksichtigen, die bereits stattgefunden habe. Die Entwicklung zu nichts weniger als einem «Kreativstandort der Grossregion Zürich». Solche Areale seien wertvoll für Städte, hatte Wolff bereits während der Führung erläutert.
Am schönsten auf den Punkt brachte die Qualität des Torfeld Süd Architekt Niklaus: «Viele grosse Unternehmen haben in einer Garage angefangen. Das hier ist eine Garage.»

KOLLABORATION TORFELD SÜD

Eine multimediale Kunstausstellung in der Aarauer Industriebrache Torfeld Süd widmet sich den dortigen «neuen Arbeitsverhältnissen und Produktionsbedingungen». Sinnigerweise ist das Projekt «Kollaboration Torfeld Süd» von zehn Kunstschaffenden Bestandteil der Veranstaltungsreihe «Monat der Arbeit». Neben der Ausstellung, die noch bis nächsten Sonntag dauert, haben dieses Wochenende zwei Schwerpunktveranstaltungen stattgefunden: eine Führung durch das Gebiet mit anschliessender Podiumsdiskussion «Was geschieht mit Torfeld Süd?» und verschiedene künstlerische Performances. www.torfeld.artefact.li (trö)

Fotos: Thomas Widmer, Kollaboration Torfeld Süd