Framing – Versuchsanordnung

Dispositivo sperimentale (501/ 1396-1400)
5 Inkjet Prints, Farbe, je 70×65 cm, 2017

<Auswahl 17>, Susanna Perin, Installation, VernissageFraming: Veruchsanordnung/ dispositivo sperimentale (1396), Susanna Perin, 2017

Framing: Veruchsanordnung/ dispositivo sperimentale (1397), Susanna Perin, 2017Framing: Veruchsanordnung/ dispositivo sperimentale (1400), Susanna Perin, 2017
Entscheidend für meinen Werkzyklus Framing Versuchanordnug/ Dispositivo sperimentale (501/ 1396-1400) waren folgende Ereignisse:

Bei meinem Besuch des Archivs der Società Geografica Italiana (SGI) in Rom entdeckte ich in den Büros der Stiftung eine Anzahl leerer Bilderrahmen. Im Vorfeld der 150 Jahre Feierlichkeiten der SGI (1867-2017), von jeher als Motor der italienischen Kolonialisierung bezichtigt und kritisiert, wurde am Image gearbeitet. Die Rahmen, leer und nutzlos, gingen so in meinen Besitz über. Diese sind Ausgangspunkt, Träger und zugleich Inhalt meiner fünfteiligen Installation Framing: Versuchsanordnung (501/ 1396-1400).

Während meiner Recherche in der SGI fand ich heraus, dass die leeren Bilderrahmen einst eine Auswahl von Fotos aus dem Fundus (Nr. 501) von Giotto Dainelli aus der „missione al lago Tana“ (Eritrea /Äthiopien 1937) präsentierten. Mit dem Titel l’antropologo al lavoro fotografierte der Forscher Vinigi Lorenzo Grottanelli (14.1. – 21.1.1937) den Anthropologen Lidio Cipriani beim Fotografieren der lokaler Bewohner bei der Erhebung anthropometrischer Daten. Die Fotos und die Negative finden sich im Archiv der SGI in Rom und sind in der Online-Datenbank zugänglich.

Am 5. August 1938 erschien das „manifesto della razza“, die Grundlage der italienischen Rassengesetze, die im Herbst 1938 erlassen wurden. Mit weiteren zehn Forschern war Lidio Cipriani Mitverfasser des Manifests, was er später bestritt. Seine anthropometrischen Erhebungen in der besagten Expedition dienten als „wissenschaftliche“ Grundlage dazu.
Die  erwähnte Fotoserie l’antropologo al lavoro ist ein wertvolles Zeitdokument. Sie visualisiert und repräsentiert eine mehrfache und gegensätzliche Art der Subjekt- und der Objektkonstruktion. Wer hat Macht über wen? Wer beobachtet und kommentiert wen? Wer ist dabei Subjekt, wer ist Objekt? Die Fotos zeigen mehrstimmige Blickregimes auf. Einerseits ist die Serie Zeuge einer rassistischen Versuchsanordnung. Andererseits, in der Mehrstimmigkeit der Bildproduktion und der subjektiven Blicke, bedeutet sie dessen Dekonstruktion. Nichtsdestotrotz sind die Fotos vorhanden: im Archiv und in der Datenbank. Sie beweisen, wer Repräsentationsmacht und Interpretationshoheit hatte und nach wie vor hat. So werden bestimmte Fotos der Serie  Ausgangspunkt meiner bildlichen Auseinandersetzung.
Mit den leeren Rahmen und den (fehlenden) Fotos gehe ich der Frage einer Bildproduktion nach, welche den voyeuristischen Blick vermeidet, ohne die Konstruktion des „Anderen“ auskommt und gleichzeitig ermöglicht, rassistische Systeme zu benennen und darzustellen, ohne rassistische Subjektkonstruktionen zu produzieren.
Eine Bildproduktion, die selber als Versuchsanordnung angelegt ist.

Dispositivo sperimentale

Der Titel lehnt sich an den Begriff „Dispositiv“ der von Michel Foucault geprägt wurde.
„Was ich unter [… Disposition] festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann. Zweitens möchte ich mit dem Dispositiv gerade die Natur der Verbindung deutlich machen […] Kurz gesagt gibt es zwischen diesen Elementen, ob diskursiv oder nicht, ein Spiel von Positionswechseln und Funktionsveränderungen […] Drittens verstehe ich unter Dispositiv eine Art von – sagen wir – Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend strategische Funktion.“ (Michel Foucault: Dispositive der Macht, Berlin, 1978)

Es geht in meiner künstlerischen Recherche um das Zusammenspiel von Elemente: ein heterogenes Ensemble von Bilder, Grafik, Diskurse und Forschung konstruierten, und rechtfertigten rassistische Positionen, die schliesslich zu den italienischen Rassengesetze und zur Deportierung der italienischen Juden führten.
Aus dieser Auseinandersetzung sind auch die Arbeiten Studie I und Studie II, /dispositivi visivi entstanden.

Die Fragen nach der Repräsentation und den Bilddiskursen als  „Dispositive“ werden mich weiterhin in meiner Recherche beschäftigen.

An attempt to translate my personal comments of the photografs I studied during quite a long time

501/ 1397
THE ELDER LOCAL INHABITANT LOOKS FORWARD
TOWARDS THE ANTHROPOLOGIST
A NATIVE SOLDIER LOOKS DIRECTLY TO THE FLOOR
WITH A WORRIED AND ALMOST MORTIFIED EXPRESSION

THE COLONIAL SOLDIER
LOOK OUTSIDE THE VIEW FIELD WITH A PERT AND AMUSED EXPRESSION
SMILING AT THE PHOTOGRAPHER

THE BODY OF THE ANTHROPOLOGIST
TENSE, AS BEFORE A JUMP,
AS ONE SINGLE OBJECT WITH THE PHOTO CAMERA

THE TWO NATIVE SOLDIERS OBSERVE THE ANTHROPOLOGIST
THE ONE WITH A CRITICAL THE OTHER WITH AN AMUSED EXPRESSION

501/ 1398
IT SEEMS TO BE A CINEMATOGRAPHIC SET
THE PHOTO SHOOTING IS FINISHED

THE ANTHROPOLOGIST SEEMS TO GIVE INSTRUCTIONS
THE SUBJECT IS STILL SITTING, BUT GOING TO STAND UP
A CIVIL SUBJECT IN JACKET AND TIE
HOLDS THE USUAL WHITE FABRIC

A YOUNG NATIVE SOLDIER ADVANCES QUICKLY
AN ELDER NATIVE SOLDIER HOLDS THE DRESSES

THE ELONGATED SHADOWS REVEAL THE PRESENCE OF THREE SUBJECTS OUTSIDE THE VIEW FIELD
FROM THE PROJECTION OF THE SHADOWS THERE SEEM TO BE TWO NATIVE SOLDIERS AND A CIVIL SUBJECT

501/ 1399
THE PHOTO SHOOTING AND ANTHROPOMETRIC
SESSION SEEMS TO BE FINISHED
THE PROTAGONIST STILL WRAPPED IN THE WHITE FABRIC
SMILES PERTLY AND SEEMS TO BE UNBURDENED

DIFFERENT CHARACTERS HAVE A REST BY DRINKING
THE ANTHROPOLOGIST CONTROLS THE COLLECTED DATA

TWO NATIVE SOLDIERS OBSERVE THE ANTHROPOLOGIST
PARTICIPATING AT THE MOMENT OF ANALYSIS

501/1400
AN  ABSOLUTE SILENT ATTENTION
COMPLETELY DIRECTED TO THE ANTHROPOMETRIC SESSION
A YOUNG NATIVE SOLDIER LOOKS WITH MORTIFIED AND WORRIED AIR
THE ANTHROPOLOGIST
MEASURES WITH ATTENTION

BEHIND THE GROUP, ALMOST INVISIBLE, A PERSON INTENT TO RECORD THE COLLECTED DATA
THE SUBJECT DISAPPEARS, LOSES ITS PHYSICAL PRESENCE
BECOMES A SCULPTURE, AN OBJECT
ALL THE ATTENTION IS ADDRESSED TO THE MEASUREMENT, TO THE ACT OF MEASURING