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Tats TV News „Die Arbeit im Mai”

Willkommen zu unserer Spezialsendung „die Arbeit im Mai”
Die Themen heute:
Schöne neue Arbeitswelt: Erwerbsarbeit heute und morgen.
Videostill, Susanna PerinEinmal selbständig erwerbend, dann befristet beschäftigt, danach teilzeitangestellt. Die Erwerbsbiografien werden immer diskontinuierlicher. Immer mehr Personen machen zumindest einmal im Erwerbsleben eine Erfahrung mit der Arbeitslosigkeit.
Die atypisch Beschäftigten, das “Prekariat” als neues Proletariat. Demonstrationen und Forderungen in Europa.
Die Selbständig Erwerbenden in der Schweiz. Die aktuelle Untersuchung des Bundesamt für Statistik
Neue umfassende Lösungsansätze sind bezüglich der neuen Arbeitsverhältnisse gefragt. Diese reichen von neuen Formen der sozialen Absicherung über Formen der Selbstorganisierung in einer individualisierten Arbeitswelt bis hin zur Forderung und Förderung von Raum für Arbeit, Entwicklung, Kreativität.weiter…

Die Erwerbsarbeitswelt ist heutzutage pluriform und heterogen geworden. Seit Jahrzehnten zeichnen sich zwei Trends ab: Das Ansteigen der Arbeitslosigkeit und die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, vor allem was Arbeitsverträge und Arbeitszeitregelungen betrifft.
Dabei nimmt das Gesamtvolumen an Arbeit nicht ab. Nur die Arbeitsbedingungen verändern sich: es werden immer mehr prekäre, sozial nicht abgesicherte und nicht Existenz sichernde Jobs geschaffen.

San Precario, Videostill, Susanna PerinImmer mehr Menschen werden freiwillig oder unfreiwillig aus ‘normalen’ Arbeitsverhältnissen hinausgedrängt. Die klassische Erwerbsarbeit – der Nine-to-five-Job – ist ein Auslaufmodell.
In Zukunft wird es vermehrt Patchwork- Biografien geben.
Immer mehr Menschen arbeiten – zumindest zeitweise – als “atypische Beschäftigte”; darunter fallen Teilzeitbeschäftigte (unter 34 Stunden/Woche), Projekt- und LeiharbeiterInnen, befristete oder geringfügige Beschäftigte, freie DienstnehmerInnen, WerkvertragsnehmerInnen, TelearbeiterInnen und Selbstständige. Diese Formen der Erwerbsarbeit unterscheiden sich vom “Normalarbeitsverhältnis” der Angestellten im Hinblick auf Dauer, Kontinuität und geregelter Arbeitszeit. Für wenig Lohn müssen die flexibel Beschäftigten mit stets wechselnden Arbeitsverhältnissen rechnen. Sie genießen kaum Sozialleistungen und keinen Kündigungsschutz, auch wenn sie oft genauso viel leisten wie ihre fix angestellten KollegInnen. Sie haben schon einen Schutzheiligen und “Jahrestage”, an denen sie auf die Straße gehen: Ob ihnen “San Precario” und der von den europäischen Gewerkschaften ausgerufene “Praktikanten-Aktionstag” am 1. April oder die europaweiten Euro May Day- Parades am Tag der Arbeit helfen, die Arbeitsbedingungen in einer globalisierten Welt zu verbessern, ist fraglich.

San Precario
Beschützer von uns Prekären auf Erden
gib uns heute den bezahlten Mutterschaftsurlaub
beschütze die Angestellten der Warenhäuser,
die Engel der Call-Centers………
Wie atypisch Beschäftigte die öffentliche Sichtbarkeit erlangen: Eine Reportage aus Italien

Reportage: San Precario

Frankreich:
Intermittants„Intermittents du spectacle” sind „KulturarbeiterInnen” in den Bereichen Theater-, Tanz- oder Musik, deren Beschäftigung „intermittierend”, d. h. zeitweilig ausgesetzt ist.
Die Infragestellung der spezifischen Arbeitslosenentschädigungsregelung der Intermittents du Spectacle war bereits 2002 eine reale Bedrohung. Erst mit der Unterzeichnung des Reformprotokolls entstand eine Bewegung von großem Ausmaß. Die Kraft dieser Bewegung liegt in ihrer Dauer – sie ist nach wie vor da und kämpft -. Ihre Kraft liegt auch in der Tatsache begründet, dass sie den vielfältigen Subjektivitäten Rechnung trägt, aus denen sie sich zusammensetzt. Dementsprechend vielfältig ist auch die Form ihrer Aktionen. Einige Beispiele davon sehen Sie in unserer Reportage aus Frankreich.

Im folgenden Beitrag erreichen die „Intermittents du spectacle” die Sichtbarkeit im öffentlichen städtischen Raum, indem sie grosse Werbeflächen zukleben und zumalen.

Reportage: Intermittents du spectacle/ Publicité couverte

Kein Film ohne Intermittents! Die Intermittents besetzen das Foyer diverser Kinos in Paris am Tag einer Filmpremiere. Heute ist die Kinovorstellung gratis.

Reportage: Intermittents du spectacle/ Sceance libre

IntermittantsEine mediale Sichtbarkeit erreichen die Intermittents auch, indem sie diverse Sendungen und Sendeformate des französischen Nationalsenders besetzen. Sie sehen als Beispiel die Kundgebung in der abendlichen Nachrichtensendung auf France 2.

Reportage: Intermittents du spectacle/ France 2

Selbstständig und eigenverantwortlich:
Die aktuelle Untersuchung zur Selbständigen Erwerbstätigkeit in der Schweiz.
Im Jahr 2005 übten 14 von 100 erwerbstätigen Personen eine Tätigkeit als selbständig Erwerbende aus.
Im Vergleich zu den Bedingungen bei den Arbeitnehmenden weist diese Art von Tätigkeit durchaus attraktive Seiten auf: die freie Gestaltung der Arbeitszeit oder die Möglichkeit der Generierung seiner eigenen Einkünfte. Doch es gibt auch Nachteile wie zum Beispiel die soziale Sicherheit. Laut Studie hat jeder fünfte Vollzeit- Selbständigerwerbende keine Krankentaggeldversicherung und fast einer von vier zahlt weder in die 2. noch in die 3. Säule ein.
Die Selbstständig Erwerbenden leisten mehr Arbeitsstunden pro Woche, arbeiten häufig noch zusätzlich an Wochenenden und leisten sich weniger Ferien. Zahlreiche Selbständige sind in einem Grenzbereich zwischen lohnabhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit aktiv.

Atypische Arbeit zu bekämpfen oder am Normalverhältnis gemessen re-regulieren zu wollen ist nicht nur unmöglich, sondern auch falsch. Nicht nur, dass das fordistische Normalarbeitsverhältnis in ein historisch spezifisches, nicht wiederherstellbares System eingebettet war; es bedeutete auch in hohem Masse Ausbeutung und Entfremdung und erscheint nur deswegen als Luxusarbeitsverhältnis, weil die Verhältnisse der ArbeitnehmerInnen sich verkompliziert und verschlechtert haben und selbständig Erwerbende sozial nicht abgesichert sind. Noch ist das jetzige Versicherungsmodell auf das fordistische Arbeitssystem aufgebaut. Lösungen zur grundlegenden ökonomischen Sicherung der ArbeiterInnen, welche den aktuellen Arbeits- und Produktionsbedingungen Rechnung tragen gibt es noch keine. Eine bedarfsorientierte Grundsicherung, welche die Löcher in den Erwerbsbiograpien ausgleichen kann, schlagen einige SpezialistInnen vor. Aber wie, wenn viele sich gar keine Versicherung leisten können.

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle schlagen andere vor. Seit Jahren finden Europa weit Kongresse zum Grundeinkommen statt. Wir sehen nun einen Zusammenschnitt aus dem Archiv der frühen Bürgergeldinitiative in Italien.
Der Akrobat ist prekär, intermittierend, freier Mitarbeitender, Scheinselbständiger: Das Acrobat Project

Reportage: Acrobat Project/ Demo und Performance „Bedingungsloses Grundeinkommen für Alle!”

Fordere Raum! Parallel zum Grundeinkommen wird Raum gefordert.
Es gibt eine Politik des Raumes, weil Raum politisch ist.
Heute steht primär die Nachfrage nach Arbeitsraum im Mittelpunkt. Dieses Bedürfnis steht in Zusammenhang mit dem Umbau des Arbeitsmarktes. Dabei spielen ökonomische Bedingungen wie Stellenabbau, Flexibilisierung und Prekarisierung des Arbeitsmarktes eine wichtige Rolle, ebenso individuelles Bedürfnis nach selbstbestimmter Arbeit. Für niederschwellige Existenzgründungen, für Handwerk- und Kreativ- Kunst – und Kulturbranche ist der Zugang zu zentralem, infrastrukturell gut erschlossenem und erschwinglichem Raum existenziell wichtig.
Die politische Ökonomie des Raumes basiert, wie jede Ökonomie, auf der Strategie der Verknappung. Verknappung bedeutet zugleich auch Ausschluss! Darum ist heute der Klassenkampf mehr denn je in den Raum eingeschrieben.

Börse: Thierry PanchaudEs soll nicht vergessen werden, dass Raum offensichtlich durch staatliche Planung direkt beeinflusst wird. „Urbanismus” ist gleichzeitig Teil der möchte- gern vernünftigen Vorgehensweise des Staates. So Henry Lefèbvre.
Und nun die Börse: ein Bericht von unserem Korrespondenten Thierry Panchaud

Börsenbericht: Arbeit macht… (Teil2) Thierry Panchaud

Hallo! Ja!
Eine Meldung aus Torfeld Süd: das Stadion steht wieder zur Diskussion.Unsere Korrespondentin hat mit den Arbeitenden vor Ort Interviews geführt.Welche ist ihre Stellungnahme zum geplanten Stadion?

Videostill, Susanna PerinInterviews: The Vibes, J. Bolliger, C. Erne, S. Eichenberger

Schöne neue Arbeitswelt! Wie weiter?
Es kommt nun darauf an, die Bedingungen der Arbeit und der Produktion mitzubestimmen und zu verändern.
Ohne eine grundlegende Auseinandersetzung mit den neuen Formen der Arbeit im Zeitalter des Postfordismus und der Stellungnahme zur Frage von Zugang zu erschwinglichem Raum für Arbeit, Kreativität, Erneuerung und Produktion lauert die Gefahr, anstatt ökonomische Impulse zu geben, ökonomische „Monokulturen” zu produzieren und die Bedingungen der ArbeiterInnen weiter zu verschlechtern.
Wie kann man Raum und neue Arbeits- und Produktionsbedingungen zusammendenken?Um dieser Frage nachzugehen verlassen wir das Studio und ziehen temporär in Torfeld Süd ein. Dieses Industriegebiet ist nun seit bald 20 Jahren zwischen genutzt. Ich verabschiede mich und gebe die Linie an TATS TV Studio in Torfeld Süd weiter.

Studio Torfeld, Videostill, Susanna Perin, Sadhyo Niederberger Trailer: tats TV Studio Torfeld Süd:

Einleitung Sadhyo Niederberger:

Interviews:
Auschnitte aus Interviews in Torfeld Süd, Volume 1 und 2

Credits:
Recherche: Susanna Perin
Script: Susanna Perin
Trailer und Animationen: Susanna Perin
Schnitt: Susanna Perin
Sound: Christian Kuntner
Videos/ Reportagen:
MayDay 2004 DVD Compilation/ greenpepper magazine, cooproduction CandidaTV mit: Chainworkers, Milano, Acrobaxproject, Roma, Intermitents du spectacle, Paris
Börsenbericht: Arbeit macht (Teil 2) Thierry Panchaud
Auschnitte aus Interviews in Torfeld Süd, Volume 1 und 2; Sadhyo Niederberger/ Susanna Perin

Quellen:
Michela Hafner/ Schöne neue Arbeitswelt: http://www.dieuniversitaet-online.at/dossiers/schoene-neue-arbeitswelt.html
Antonella Corsani/ Wissensproduktion und neue politische Aktionsformen. Die Erfahrung der Intermittents in Frankreich http://transform.eipcp.net
Hae- Lin Choi/ Nessuno escluso! Perspektiven kollektiver Interessenvertretung
AnArchitektur 01/ Material zu Henri Lefèbvre: Die Produktion des Raums
BFS aktuell/ Selbständige Erwerbstätigkeit in der Schweiz/ 2006